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Presseinformation

17. Apr. 2018
Immer mehr alte Menschen im Justizvollzug
Freie Straffälligenhilfe hilft beim Übergang vom Vollzug in Pflege oder Betreuung
Neues flächendeckendes Angebot der „Schuldenberatung in Haft“


Im Jahr 2017 war es das zentrale Anliegen des Verbands Bewährungs- und Straffälligenhilfe Württemberg e.V. mit seinen 22 Mitgliedsvereinen, die Hilfen für zu entlassende Straftäter beim Übergang vom Strafvollzug in die Freiheit stetig weiter zu verbessern. Zusätzlich zu seinen etablierten Angeboten für Arbeit, Wohnen und Grundsicherung startete der Verband im Rahmen des Netzwerks Straffälligenhilfe Baden-Württemberg dazu im März 2018 das neue Projekt zur landesweiten „Wiedereingliederung von älteren Gefangenen - Hilfe beim Übergang vom Vollzug in Pflege oder Betreuung“.

Seit der Jahrtausendwende hat sich der Anteil der über 60-Jährigen mehr als verdoppelt.



Angesichts dieser Entwicklung hat der Strafvollzug zunehmend mit älteren Gefangenen zu tun. So ist die Zahl der Gefangenen ab 60 Jahren heute mehr als zweieinhalb Mal so hoch wie noch im Jahr 1993. Während im Jahr 1993 in den baden-württembergischen Gefängnissen nur 92 Gefangene über 60 Jahre alt waren, lag die Zahl im Jahr 2003 bereits bei 175 und im Jahr2016 schon bei 243 (Stichtag jeweils der 31. März). Nach oft jahrelanger Inhaftierung haben ältere Inhaftierte meist keine sozialen Kontakte mehr. Sie finden sich in der Freiheit nicht mehr zurecht und haben einen besonderen Betreuungsbedarf. Gerade weil sie aus dem Strafvollzug kommen, sind sie nur schwer in Alten- und Pflegeeinrichtungen zu vermitteln. Mit dem neuen Projekt unterstützen wir hier und bei vielen weiteren Problemen und Fragestellungen, die sich einem älteren Menschen beim Schritt in sein neues Leben außerhalb der Gefängnismauern stellen können. „Wir müssen uns den speziellen Sorgen und Nöten der alten Menschen im Strafvollzug zuwenden. Mit dem demographischen Wandel wird das Problem zunehmend größer“, sagte Generalstaatsanwalt Achim Brauneisen anlässlich der Mitgliederversammlung am 18. April 2018 in Böblingen.

Zu einer guten Entlassungsvorbereitung gehört vor allem das Herstellen sozialer Beziehungen. Ferner müssen im Bedarfsfall frühzeitig die Weichen für eine Nachsorgegestellt werden. Dafür gibt es aber wegen der sehr individuellen Bedürfnisse alter Menschen keine spezifischen allgemein verbindlichen Programme. Deshalb werden die notwendigen Maßnahmen im Übergangsmanagement für die betroffene Person einzelfallbezogen koordiniert. Eine rechtzeitig einsetzende, standardisierte Entlassvorbereitung ist gerade für ältere Gefangene enorm wichtig. Sie muss eine Einschätzung des Hilfebedarfs, die Einbeziehung nachbetreuender Einrichtungen sowie die Abklärung der Kostenübernahme leisten. Dazu braucht es spezielles Fachwissen, das nun von den Vereinen des Verbands Bewährungs- und Straffälligenhilfe Württemberg e.V. neu bereitgestellt wird. Projektträger ist der Verein Projekt Chance e.V.. Finanziert wird das Projekt mit einem Zuschuss von 500.000 Euro durch die Baden-Württemberg Stiftung und mit 120.000 Euro durch die Lechler Stiftung.



Der Verband hat im Rahmen des Netzwerks Straffälligenhilfe Baden-Württemberg im Jahr 2017 zudem das Projekt „Schuldenberatung in Haft“ mit Hilfe eines Zuschusses des Landes in Höhe von 275.000 Euro im ersten Jahr flächendeckend neu auf die Beine gestellt. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass der Bedarf für Hilfestellungen im Umgang mit Schulden bei straffälligen Menschen immens groß ist. Schon in den ersten sechs Monaten der Anlaufphase des Projekts haben 174 Gefangene das Betreuungsangebot nachgefragt (hiervon16 Frauen). 23 Beratungsvorgänge konnten bereits vollständig abgeschlossen werden. Dabei wurden 276 Gläubiger mit Forderungen von insgesamt 1,3 Millionen Euro erfasst. Aus Sicht des Verbands sind dies beachtliche Zahlen, weil in den Vereinen in den ersten sechs Monaten der Anlaufphase zunächst die personellen und organisatorischen Voraussetzungen für eine kompetente Leistungserbringung geschaffen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter qualifiziert werden mussten. Deshalb haben in diesen ersten Monaten zunächst nur 11 von 23 Mitgliedsvereinen aktiv Schuldnerberatungsleistungen in Vollzugsanstalten erbracht. Im ersten Quartal 2018 wurden inzwischen alle Qualifizierungsmaßnahmen abgeschlossen. Damit kann das Projekt „Schuldenberatung inHaft“ nun flächendeckend an allen Justizvollzugsanstalten angeboten werden. Im ersten Quartal 2018 konnten bereits 105 Neufälle registriert werden.



„Wir gehen davon aus, dass die Zahl der Schuldenberatungen im Strafvollzug durch unsere Vereine wegen des großen Bedarfs weiterhin stark ansteigen wird“, so Brauneisen.
„Mit der Einführung der Schuldnerberatung in Haft wurde ein bislang noch fehlender Resozialisierungsbaustein ergänzt, der von den Vertragspartnern der `Kooperationsvereinbarung über die Integration von Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten in Baden-Württemberg` vom 12.12.2016 als zielführend für eine erfolgreiche Resozialisierung erachtet wurde“, ergänzte Julia Herrmann, die Geschäftsführerin des Verbands.

Bericht: Julia Herrmann